Von einem zukünftigen Streußelschneckentester, der Guambilua retten will:
Unterstufen-Theater-AG bringt „Hodder, der Nachtschwärmer“ auf die Bühne
In Island, im Norden, in "Hackes" und sogar weltweit gibt es viele gesunde Kinder mit gesunden Bauchspeicheldrüsen. Um diese beruhigende Erkenntnis wurde das Publikum am Mittwochabend im PZ des LGD bereichert, als dort die 18 Darstellerinnen und Darsteller der Theater-AG der Jahrgangsstufen 5&6 die dramatisierte Fassung des preisgekrönten Kinderbuchs „Hodder, der Nachtschwärmer“ auf höchst unterhaltsame Weise präsentierten.
Auch Protagonist Hodder (Floris Gerstenberg) verfügt über eine solch intakte Bauchspeicheldrüse, stellt diese aber aufgrund seines enormen Streußelschneckenkonsums auf eine Belastungsprobe und ist ansonsten ein liebenswerter Einzelgänger oder neudeutsch „Nerd“, der sich trotz des frühen Mutterverlustes, Papas Nachtschichten als Plakatekleber und haushaltlichen Verpflichtungen wacker durchschlägt.
In den einsamen Nächten jedoch gerät er ins Träumen und eröffnet dem Zuschauer eine Welt voller Rätsel, skurriler Figuren und seltsamer Ideen. Und wie bereits in den Inszenierungen der vergangenen Jahre stellt das Regieduo bestehend aus Felix Aktas und Rebekka Christmann hier wieder sein Talent für schräge Ideen und tiefgründige Komik unter Beweis, so kommen z.B. die Erzähler als personifiziertes Kinderzimmerinventar daher und unter der Straßenlaterne steht wie aus einem Film der 20er Jahre die herrlich melancholische Lola (Sina Neumann), die ihm „Good luck!“ wünscht.
Und auch in Schwarzlicht getauchte Feen kommen daher, um den Nachtschwärmer mit der Rettung der Welt zu beauftragen. Allerdings sinniert Hodder: „Ich bin nicht so groß. Die Welt ist viel größer. Und außerdem muss ich noch Brote schmieren.“ Nach einem Blick in den Atlas beschließt er, sich zunächst um die Rettung der kleinen Insel Guambilua zu kümmern, um überhaupt irgendwo anzufangen, und schickt einen Papierflieger mit viel „Good luck“ dorthin. Es sind diese leisen, poetischen und manchmal etwas schwermütigen Momente, die an diesem Theaterabend so anrührend sind.
Doch wird das Tragische immer wieder durch Komik gebrochen. So stellt Hodder sein Team zu Weltrettung zusammen und hierbei trifft das Publikum auf ein Panoptikum skurriler und liebevoll ausgestatteter Bühnenfiguren wie die wunderbar bestrickte Kamma Gudmansdottir (Emily Keunecke), die auf unvergleichliche Art über die Verdauung ihres Pausenbrotes referiert, die spröde nach Lehrerzimmer und Tippex duftende Klassenlehrerin Frau Andersen (Ceren Er) und Big Mac Johnson (Matthias Fußwinkel) als rappender „Poet des Boxsports“.
Das Stück beschert dem Zuschauer einen versöhnlichen Ausgang: Hodder ist sich der Unterstützung seiner fiktiven Freunde gewiss und die Feen versichern ihm bei ihrem finalen nächtlichen Besuch, dass der Weg des auserwählten Weltretters nichtganz so weit sei. Und so werden wir Zeuge, wie Hodder seine Expedition eher lokal als global fortführt, in Philipp (Bo Hoffmann) schließlich einen guten Freund findet und mehr Menschen mit Weihnachtskarten be- und seinen Streußelschneckenkonsum überdenken will.
Noch unbedingt zu erwähnen sind die bewegenden Szenen zwischen Hodder und seinem nachtschichtgeplagten Vater (Colin Frießner). Zu den Klängen von Cat Stevens` “Father & Son“ erledigen sie den Abwasch und sinnieren über die Farbenlehre des Meeres. Die aus 5 Q1-Schülern bestehende Band liefert den mal heiteren, mal wehmütigen Soundtrack des Theaterabends und unterstreicht großartig das mutige und ungewöhnliche Inszenierungskonzept.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass „mal eben kurz die Welt retten“ nicht so einfach ist und „im Laufe der Nacht die ganze Stadt denkt“. Was ja nicht das Schlechteste ist.
„But take your time, think a lot – Think of everything you´ve got – For you will still be here tomorrow – But your dreams may not.” Good luck!